I. Kernaussage: Die EU-Chemikalienregulierung richtet sich gegen traditionelle Materialien
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Politischer Hintergrund
Die Europäische Kommission veröffentlichte im Oktober 2024 eine überarbeitete Fassung der „Strategie für nachhaltige Chemikalien“. Zentrale Maßnahmen umfassen:
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Verbot von 12 POPs-Stoffen: Betroffen sind bestimmte herkömmliche Kunststoffadditive und Flammschutzmittel; vollständiges Verbot bis Ende 2025.
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Strikte Beschränkung der PFAS-Nutzung: Ab 2027 schrittweise Einschränkung fluorhaltiger Verbindungen in Bereichen wie Elektronik und Medizin.
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Stärkung der CO₂-Kennzeichnungspflicht: Ab 2026 müssen alle Chemieprodukte, die auf den EU-Markt gelangen, Daten zum CO₂-Fußabdruck über den gesamten Lebenszyklus offenlegen.
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Direkte Auswirkungen
Traditionelle fluorhaltige Materialien (wie PTFE-Beschichtungen oder Fluorkautschuk-Dichtungen) geraten aufgrund von Umweltbedenken unter Druck. Kunden sind gezwungen, auf Alternativen umzusteigen. Silikonmaterialien werden aufgrund ihrer ungiftigen, witterungsbeständigen und recycelbaren Eigenschaften von der EU auf der „grünen Beschaffungsliste“ besonders empfohlen.
II. Marktopportunitäten: Drei Anwendungsfelder mit starkem Nachfragewachstum
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Medizinprodukte: Von „konform“ zu „unverzichtbar“
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Problem: Die MDR-Verordnung der EU fordert Biokompatibilität gemäß ISO 10993. PVC-Infusionsschläuche mit Weichmachern drohen verboten zu werden.
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Chance: Der Bedarf an Silikonschläuchen, Beatmungsmasken usw. wächst jährlich um 18 % (laut Ceresana). Wichtige Kunden sind Siemens Healthineers und Fresenius.
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Empfehlung: Sofortige ISO-10993-Zertifizierung und Kennzeichnung mit „Konform mit EU-Green-Medical-Procurement“.
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Elektronikverguss: Wärmemanagement für 5G-Basisstationen
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Problem: Die EU-Richtlinie über Elektro- und Elektronik-Altgeräte (WEEE) schreibt ab 2025 eine Recyclingquote von 75 % vor. Herkömmliche Epoxidharze genügen diesen Anforderungen nicht.
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Chance: Wärmeleitfähige Silikongels zur Kühlung von 5G-Chips wachsen mit 22 % jährlich. WACKER und Dow haben bereits reworkfähige Produkte auf dem Markt.
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Empfehlung: Zusammenarbeit mit Huawei, Ericsson & Co. für ein gemeinsames „Low-Carbon Electronics Packaging Whitepaper“.
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Bauabdichtung: Passivhaus-Boom schafft neue Anforderungen
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Problem: Die EU-Gebäuderichtlinie schreibt für Neubauten ab 2030 nahezu Nullenergieverbrauch vor. Klassische Silikondichtstoffe mit hohen VOC-Emissionen geraten ins Abseits.
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Chance: Der Markt für modifizierte Silikondichtstoffe (z. B. MS-Polymere) wächst jährlich um 15 %. Die deutsche Sto-Gruppe nutzt sie bereits als Standardmaterial im Passivhausbau.
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Empfehlung: Entwicklung von Produkten mit dualer EU-CE- und französischer A+-Umweltzertifizierung.
III. Strategische Reaktionen: Die Marktführer sind bereits in Stellung
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WACKER Chemie
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Maßnahme: Investition von 200 Mio. € in den Ausbau des Standorts Burghausen (NL), Fokus auf VOC-arme Bausilikone.
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Strategie: Zusammenarbeit mit dem EU-„Horizont“-Programm zur Entwicklung biobasierter Silikonmonomere.
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Shin-Etsu Chemical
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Maßnahme: Einführung PFAS-freier Elektronik-Silikone, exklusiv zugelassen für Tesla-Batteriepacks.
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Strategie: Aufbau einer Produktionsstätte in Polen zur Umgehung von Zöllen.
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Huitian New Materials (China)
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Maßnahme: Erhalt der EU-REACH Anhang XVII-Zertifizierung, thermisch leitfähige Silikone in der First-Solar-Lieferkette.
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Strategie: Veröffentlichung eines „Silikon-CO₂-Rechners“ zusammen mit TÜV Rheinland.
IV. Praxisleitfaden: So nutzen Sie den neuen Boom effektiv
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Produktseite: 30-Tage-Zertifizierungsplan
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Sofortiger Start von EU-CPR-Zertifizierungen (für Bauprodukte) oder ISO 18064 (für medizinisches Silikon); auf Webseite und Katalog mit „EU-konform“ kennzeichnen;
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Entwicklung biobasierter Formulierungen mit >20 % Anteil; USDA-Bio-Zertifizierung kann Preisaufschläge bis zu 15 % ermöglichen.
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Marketingseite: Das EU-Grün-Zertifikat als Wettbewerbsvorteil
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Erstellung eines E-Books „Silikon & neue EU-Chemikalienverordnung“; gezielte LinkedIn-Kampagnen an EU-Einkäufer;
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Spezieller „EU-Bereich“ auf der Hannover Messe (April 2025), Live-Vorführungen PFAS-freier Materialien.
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Lieferkette: Handelsrisiken umgehen
V. Risikohinweise: Diese Fallen sollten Sie vermeiden!
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Zertifizierungsfallen: Vorsicht bei „Schnellzertifikaten“ – es gibt nur 28 offiziell anerkannte Stellen in der EU (z. B. TÜV, SGS).
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Datenfälschung: CO₂-Berechnungen müssen dem EU-PEFCR-Standard entsprechen – chinesische Durchschnittsdaten führen zur Rücksendung.
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Substitutionskonkurrenz: Behalten Sie biobasierte Polyurethane und Naturkautschuk im Auge – kontinuierliche Rezeptur-Updates sind Pflicht.
Fazit:
Die neue EU-Umweltwelle wird die globale Silikonlandschaft nachhaltig verändern. Wer schnell reagiert, kann sich einen strategischen 3–5-Jahres-Vorsprung sichern. Empfehlung: Gründung eines interdisziplinären „EU-Projektteams“, das Zertifizierung, F&E und Marketing parallel vorantreibt – um das Zeitfenster der politischen Förderung optimal zu nutzen.
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